Ein Stück Stoff spaltet ein Land

Es ist schon bezeichnend, wenn man so durch die österreichische Medienlandschaft schaut, da wird verkürzt zitiert. Aus dem Kontext gerissen was das Zeug hält, es werden Halb- bis Unwahrheiten verbreitet ganz ohne Genierer und wenn man sich dann einmal ansieht, worum es wirklich geht ist es ein simples Stück Stoff.
Das Kopftuch, die einen mögen es, die anderen eher weniger – unbenommen, soll so sein, ist ja auch jedem seine Sache, was er sich auf den Kopf setzt und was nicht.

Aber wenn ein Politiker in einer Fragerunde mit Schülern auf die Frage, wie er zum Kopftuchverbot am Arbeitsplatz stehe und was er gedenke gegen die immer mehr um sich greifende Islamophobie und den immer stärker werdenden Rassismus zu tun, oder ob er dazu auch mal öffentlich etwas sagen werde, mit

„Also erstens: Als ich klein war, also kleiner als Sie heute, war es am Land zumindest absolut üblich, für alle Frauen in österreich, Kopftuch zu tragen. Es ist also eine relativ neue Entwicklung, dass man kein Kopftuch mehr trägt.
Insofern finde ich´s schon einmal das Normalste der Welt.
Zweitens: Wir haben in Österreich und der gesamten europäischen Union allen zivilisierten, demokratisch strukturierten Ländern, Meinungsäußerungs-Freiheit.
Also nicht nur Meinungsfreiheit, sondern Freiheit der Meinungsäußerung. Und ich meine dazu gehört aber auch Bekleidungsfreiheit.
Ob ich jetzt eine Krawatte hab oder nicht, so wie heute.
Okay ich beuge mich der uniformität der politischen Klasse.
Und wenn ich keine Krawatte hätte, würden Sie mich im Zweifel trotzdem hier akzeptieren.
Also insofern für mich persönlich, ich persönlich sehe nur ganz wenige Situationen, wo es problematisch sein könnte ein religiöses Symbol zu tragen.
Eine Situation könnte sein, eine Richterin oder ein Richter – das trifft aber dann auf alles religiösen Symbole zu.
Dann muss ich auch das Kreuz am Hals verbieten, wenn das ein Problem ist oder als problem gesehen wird, oder den Davidstern oder was auch immer.
Also in bestimmten behördlichen Verfahren, wo die Neutralität des Betroffenen in Frage gestellt werden könnte, aufgrund einer deutlichen religiösen Zugehörigkeit kann man drüber reden. Überall sonst finde ich, ist es das Recht der Frau – Tragen Männer auch Kopftücher? Nein oder? Ist es das Recht der Frau sich zu kleiden wie auch immer sie möchte.
Das ist meine Meinung dazu. Im übrigen nicht nur muslimische Frauen. jede Frau kann ein Kopftuch tragen. Wenn das so weiter geht und damit bin ich schon bei der nächsten Frage, bei dieser tatsächlich um sich greifenden Islamophobie, wird noch der Tag kommen, wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen. Alle! Als Solidarität gegenüber jenen, die´s aus religiösen Gründen tun.
Das ist nicht so weit hergeholt. Wenn ich mich richtig erinnere, haben die Dänen während der deutschen Besatzung doch etwas Ähnliches gemacht und nicht jüdische Dänen haben angefangen den Davidstern zu tragen als sozusagen symbolsche Geste oder auch tatsächliche Geste des Widerstands gegen die Deportation von Juden damals.“

antwortet und daraufhin berichtet wird, er hätte „Kopftuch für alle Frauen!“ GEFORDERT, was so nun einmal nicht stimmt, dann muss ein sichtbares Zeichen gesetzt werden, dann ist dieses Thema, nämlich die Islamophobie eben noch nicht vom Tisch.

Es wird ihm jetzt vorgeworfen, er würde eine Islamisierung vorantreiben, nein das hat er nicht einmal ansatzweise getan, er hat den Islam (den es in vielen Punkten – wie übrigens alle Religionen – zu kritisieren gilt) noch nicht einmal verteidigt, er hat lediglich auf die Frage nach einer Lösung eine hypothetische Bitte in den Raum gestellt und bei dieser Gelegenheit ein historisches Faktum erwähnt, eine Situation in der ähnliches auch schon gemacht wurde.
Dass die Presse ihm daraus einen „NS-Vergleich“ herbei schreibt halte ich für massiv überzogen, zumal Bundespräsident Van der Bellen niemanden mit den Nazis verglichen, sondern lediglich eine hypothetische Verfolgungssituation mit einer anderen verglich und ein „Zeichen des Widerstands“ per Anekdote zur Diskussion stellte, von der Krone ist man derartig marktschreierische Zeilen ja gewohnt (auch hier wieder die verkürzte Darstellung, dass Strache, Kickl und Co. in gewohnter „Bedenklich!!!“-Manier auf diesen Zug aufspringen war auch zu erwarten und ist politisch gesehen für diese Partei sogar logisch, hat sie ja keine anderen Themen.
Was mir aber wirklich sauer aufstößt ist, dass dem ORF so ein Fauxpas passiert, ich hätte mir von Susanne Schnabl und ihrem Redaktionsteam erwartet zu erkennen, was diese verkürzte Version (ohne den Bezug auf die Dänen) im öffentlich rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt für ein Bild abgibt, die Veröffentlichung der vollen Version auf Facebook am Tag danach ist zwar ein Trostpflaster, aber eben nur das.

Zum Schluss – Liebe Mitbürger!

Wir regen uns über ein Kopftuch auf? Ernsthaft jetzt?
Jetzt einmal ganz davon abgesehen, dass das Kopftuch in Österreich lange Tradition hat – ich kenne/kannte meine Urgroßmutter gar nicht ohne – meine Großtante hatte es ebenfalls bisweilen getragen – viele Bäuerinnen tragen es bis heute, christliche Frauen, keine Musliminnen.
Man kann w.o. gesagt, beim Islam viel kritisieren, wie man dies im übrigen auch beim Christentum (eigentlich bei allen Religionen) zu tun vermag, aber man sollte auch akzeptieren, dass der Islam nun einmal zu Österreich gehört und das nicht zuletzt seit der Annektion von Bosnien 1912 mit der Anerkennung durch den Kaiser (ja ich weiß, seither ist viel passiert).
Wir sind 8,7 Millionen Leute, 0,5 Millionen davon sind Muslim*innen – deal with it, es hat bis jetzt funktioniert und es wird auch weiterhin funktionieren, wenn man sich gegenseitig akzeptiert.

Lasst dem Gegenüber einfach seinen Glauben, der ist nämlich Privatsache und was jemand als Kopfbedeckung nutzt ist es dies ebenfalls.

Für alle, die sich weiter-informieren wollen, empfehle ich die gesamte Diskussion, welche ebenfalls als Facebook-Video, sprich als gespeicherter Live-Stream verfügbar ist HIER LANG.

4 Gedanken zu „Ein Stück Stoff spaltet ein Land

  1. Andreas Stackelberg

    Danke! Einer der besten Kommentare zum Thema seit langem. Unaufgeregt, an den Fakten orientiert, wohltuend anders als vieles was wir in letzter Zeit lesen mussten.

    Antworten
  2. Ingrid Gruber

    Danke für den unaufgeregten Kommentar. Ich sehe es auch so: eine Mücke zum Elefanten gemacht und es geht vor allem darum VdB zu diskreditieren…. Ironie oder Pointe ist in Österreich seit geraumer Zeit immer mehr mit Vorsicht zu genießen… schrecklich, wenn man jedes Wort auf die Gpödwaage legen muss! Aber: über das Kopftuch lässt sich trotzdem ganz trefflich streiten. Es ist nämlich erst mit der zunehmenden Reislamisierung der Türkei stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Ich kann mich noch daran erinnern, das ist etwa 20- 25 Jahre her. Und heute Frage ich mich schon, warum mitten im Herzen des mittlerweile doch Recht säkularen Europas so viele Frauen sich so unbedingt wiedet verhüllen zu glauben müssen, wo gleichzeitig tausende vor islamiszischer Diktatur und Terror z.B aus Iran ist Afghanistan fliehen. Mir dreht es das Herz um, wenn ich mittlerweile Mädchen im jungen Volksschulaltet sehe, die mit langen Rücken und Kopftuch gehen müssen. Wenn westliche Frauen völlig zugewickelt herumlaufe, während sich Afghaninnen nur locker ein Tuch über Haare in Hals legen und das oft nur wegen der Community. „WAS SOLLEN DENN DIE ANDEREN SAGEN?“. War auch bei uns längstens ein Grund sich anzupassen! Deshalb halte ich persönlich ein paar deutliche Aussagen für durchaus angebracht , ein Kopftuchverbot zumindest bis 14 in den Schulen ( dann darf.man sich theoretisch sowieso selbst entscheiden) fände ich sinnvoll, um den Druck von den Mädchen zu nehmen. Nachdem ich regelmäßig mit unserem jungen Mitbewohner aus Iran / Afghanistan, dessen Vater dort Imam ist, er selbst aber Atheist, spreche hat sich mein Bild über den Islam schon auch ein bisserl gewandelt, und nicht zum Besseren! Er hat große Schwierigkeiten mit den Radikalreligiösen hier, weil er sagt:
    „vor denen sind wir in die Sicherheit nach Europa geflüchtet und jetzt muss ich hier die gleichen Leute wieder sehen? Was machen sie hier? Es gibt doch viele Ländet, wo sie leben können, wie sie wollen…. Ich habe Angst, wenn Ich an so einer Moschee vorbei gehe! Wissen das die österreichischen Behörden?“ Also für mich ist die ganze Sache mittlerweile schon komplizierter als vor 20, 30 Jahren. Da habe ich das auch noch so gesehen: Jeder soll, wie er will. Aber wie frei sind Entscheidungen dieser Art wirklich?

    Antworten
  3. Josefine

    Bitte den Satz: „Ist es das Rechtd er Frau sich zu kleinen wie auch immer sie möchte.“ korrigieren. „Kleinen“ ist schon fast ein ‚freudscher‘.
    Mit freundlichen Grüßen
    JNK

    Antworten
    1. Andreas-Johannes Biberhofer Beitragsautor

      OMG – nein, das war absolut nicht meine Intention und wer mich kennt weiß, dass das ziemlich missglückte Tippfehler waren.
      Ich danke für den Hinweis! (wenn auch sehr spät gesehen)
      AnJoBi

      Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.